Der Frankfurter Weg
Ein Kommentar von Oskar Mahler
Wer behauptet, dass das Konzept unseres Frankfurter Wegs veraltet sei, nimmt nicht zur Kenntnis, dass dem Frankfurter Weg ein dynamisches Konzept zugrunde liegt, welches alle, die daran arbeiten, seit Anbeginn stets weiter entwickeln.
Dass der vermehrte Konsum von Crack eine große Herausforderung darstellt – ein Frankfurt-spezifisches Phänomen, ist eine Tatsache. Eine ähnliche Herausforderung gibt es allenfalls in Hamburg.
Der Vorgang des Crack-Konsums in Hamburg ist aber ein gänzlich anderer als bei uns.
Auch der Drogenhandel funktioniert in Hamburg und Frankfurt unterschiedlich.
Die Frankfurter Polizei lehnt ein Crackareal à la Hamburg explizit ab („rechtsfreier Raum kann nicht geduldet werden“). Das Hamburger Modell ist für Frankfurt also nicht praktizierbar.
Die Zusammenarbeit im Frankfurter Bahnhofsviertel zwischen den Drogenhilfeeinrichtungen, Verein Integrative Drogenhilfe, Drogennotdienst des Jugendberatung und Jugendhilfe e.V., AIDS-Hilfe Frankfurt, Verein Arbeits- und Erziehungshilfe e.V., Frankfurter Verein, dem Drogenreferat, dem Gesundheitsdezernat, dem Ordnungsdezernat und der Polizei, ist ein gutes Beispiel für phantasievolle und sensible Politik des Machbaren, welche unsere Drogensüchtigen versorgt, soweit wir das vermögen und die Kriminalität konsequent bekämpft.
Zugegebener Maßen gibt es viele offene Fragen, aber in Wahlkämpfen und zu anderen Anlässen schnell hervorgezauberte Antworten versprechen letztendlich nur unhaltbare Lösungen. Der Frankfurter Weg braucht dagegen auch weiterhin die behutsame Weiterentwicklung, das besonnene Handeln und die Forschung. Insgesamt ist der Frankfurter Weg inklusive OSSIP Programm (Offensive Sozialarbeit, Sicherheit, Intervention und Prävention) unser Handlungskonzept, auf das wir in Frankfurt stolz sind; nur mit Geduld und Achtsamkeit können wir das Erreichte weiter entwickeln und unser Handeln veränderten Anforderungen anpassen.
Der Frankfurter Weg ist weder ein gutes Wahlkampf-Thema, noch eignet er sich für interfraktionelle Schaukämpfe. Der Frankfurter Weg ist das Arbeitsfeld für Profis, die sich bewusst darüber sind, dass es niemals schnelle Lösungen für die komplexe Problemlage aus schwerer Abhängigkeitserkrankung der Betroffenen einerseits und der Kriminalität des Drogenhandels andererseits geben kann.
Wir entwickeln unter Einbeziehung aller Faktoren mit großer Sorgfalt und Bedacht, Schritt für Schritt gemeinsam den Frankfurter Weg weiter. Die hier beschriebene Kontinuität der Weiterentwicklung findet in der Tat statt: Sozialarbeiter sind auch nachts unterwegs, weitere Notschlafplätze wurden im Drogennotdienst in der Elbestraße eingerichtet, eine begleitende Szenenstudie durch das Centre for Drug Research der Goethe Universität wird derzeit ausgewertet und in der Moselstraße haben wir einen Aufenthaltsraum für Abhängige, der fast rund um die Uhr, täglich von 14:30h bis zum nächsten Morgen um 11:30 Uhr geöffnet ist als Rückzugsort und Ruhepunkt. Dies alles sind Beispiele dafür, dass unsere Arbeit am Frankfurter Weg professionell und geräuschlos aber kontinuierlich funktioniert.
Interessengeleitete mediale Stimmungsmache, wie immer wieder geschehen, ist in der Sache absolut kontraproduktiv und erweist am Ende auch jenen im Bahnhofsviertel, die sie befeuern, einen Bärendienst.
Der Frankfurter Weg wird Schritt für Schritt beschritten seit 1989. Noch im Jahr 1992 hatten wir in Frankfurt 147 Drogentote zu betrauern. Dass sich die Anzahl der Menschen, die wir Jahr für Jahr durch Drogenkonsum verlieren, auf mittlerweile 20 bis 30 verstorbene Personen reduziert hat, haben wir all jenen zu verdanken, die den Mut und die Hingabe besitzen, professionell am Frankfurter Weg zu arbeiten und somit Leben zu retten.
Oskar Mahler, Chronist des Bahnhofsviertels
Herzlichen Dank für fachliche Beratung, Ergänzungen und Formulierungshilfe an:
Stefan Majer – Gesundheitsdezernent │ Gerhard Bereswill – Polizeipräsident │ Regina Ernst – Leiterin Drogenreferat │ Gabi Becker – Geschäftsführerin der IDH │ Christine Heinrichs – Frankfurter Verein │Frederic Pietsch – polizeilicher Koordinator OSSIP │ Anita Strecker – Referentin Drogenreferat│Wolfgang Barth – Leiter Drogennotdienst Elbestraße │ Tom Holz – Streetworker OSSIP
Wolfgang Barth (Leiter Drogennotdienst Elbestraße):
»Es kann nicht oft genug betont werden, mit wie viel Einfühlungsvermögen und wie differenziert die Polizei in dieser Gemengelage aus Straßenkriminalität, Prostitution und Zuhälterei, Bandenkriminalität und organisiertem Verbrechen, Menschenhandel, Dealerei und legalem und illegalem Drogenkonsum agiert, die Polizei sorgt obendrein für die Sicherheit unserer Mitarbeiter in den Einrichtungen. Ohne diese kontinuierliche Unterstützung könnte die Suchthilfe zumachen.«
Tom Holz (Streetworker OSSIP):
Lieber Oskar, der Text zeugt von Sachkenntnis und diplomatischem Geschick. Vor allem weil er den Missbrauch des Themas durch den Wahlkampf deutlich macht und dadurch die Wichtigkeit der Zusammenarbeit in den Vordergrund stellt. Die Frankfurter Stadtpolitik kann nur Lösungen finden, wenn sie bei dem Thema zusammenarbeitet und ideologische Grabenkämpfe ruhen lässt.
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