Laudatio Funebris auf Wolfgang Lenz

gehalten bei der Beerdigung am 2. September | Laudator: Oskar Mahler

Laudatio funebris für Wolfgang Lenz

Liebe Verwandte von Wolfgang, Tochter Marion, Enkelin Yvonne und Enkel Alex und Schwiegersohn Jürgen, liebe Freunde und Weggefährten von Wolfgang Lenz, wir würdigen und beerdigen heute Wolfgang Lenz, der am 4. August von uns gegangen ist. Ich bedanke mich, auch im Namen seiner Familie bei allen, die heute gekommen sind, um ihn anerkennend in die Erinnerung zu verabschieden.

Es ist tröstlich zu bedenken, dass er nach kurzer, schwerer Krankheit im eigenen Haus von der Familie, liebevoll umsorgt, in seinem eigenen Bett, sanft entschlafen ist und zwar schmerzfrei.

Natürlich löst der Tod eines geliebten Menschen immer Trauer und Tränen aus, aber da der Tod nicht überraschend kam und sowohl er selbst, als auch alle um ihn herum, zwar wenig, aber letztendlich genug Zeit hatten, sich darauf vorzubereiten, bleibt uns am Ende des Tages kein Grund zum Jammern.

Darüber haben Wolfgang und ich bei einem unserer letzten beiden Gespräche ausführlich gesprochen und ich komme auf seine Ansichten über das Trauern, die Tränen und das In-Dankbarkeit-Erinnern im Laufe dieser Laudatio noch zurück.

An dieser Stelle möchte ich mich erstmal bei Wolfgangs Familie bedanken, dass ich gebeten wurde, die Rede auf Wolfgang zu halten, es ist mir eine große Ehre, dass ich das tun und meine Hochachtung vor ihm hier zum Ausdruck bringen darf.

Mein Name ist Oskar Mahler und ich bin einer der Stadtteilbildhauer des Frankfurter Bahnhofsviertels, eine Bezeichnung, die Wolfgang Lenz erfunden hat.

Es muss im Jahr 2009 gewesen sein, wir saßen vor der Schuhmacherei und wir redeten darüber, dass Bergen Enkheim Ulrich Pelzer als neuen Stadtschreiber bekommen hatte und darüber, wie Kunst die Außenwahrnehmung eines Stadtteils beeinflusst, wie zum Beispiel unser Hammer Museum.

Du sagtest: »Du bist für mich unser Stadtteil Bildhauer.« Diese Bezeichnung gefiel uns beiden und wir sinnierten darüber, wer ebenfalls als solcher zu bezeichnen ist und kamen auf Gustav Herold, den Bildhauer, die die Atlas Statue auf dem Hauptbahnhofsportal geschaffen hatte und auf Mirek Macke, der aus den Leuchtbuchstaben des Kaufhauses »M.SCHNEIDER« das Wort »MENSCH« zusammengesetzt und bei uns auf dem Dach der Weißfrauenkirche installiert hatte.
Seit diesem Gespräch bezeichne ich mich als (einer der) Stadtteilbildhauer des Frankfurter Bahnhofsviertels.

Wolfgang und ich betrieben zusammen das Hammer Museum über seiner Schuhmacherei und ich war seit 2005 einer seiner engsten Freunde und Weggefährten. Seine Tochter Marion sagte, ich sei vielleicht einer der Menschen, vielleicht sogar derjenige, der Wolfgang am besten kannte.
Danke, Marion, das hat mich sehr geehrt.

EXERCITATIO ARTEM PARAT

»Übung mach den Meister«, ist in meinen Augen das passende Motto, um Dein Leben zu schildern. Wolfgang Du warst ein humorvoller Zeitgenosse auf den die Redewendung, »sein Leben meistern« in ganz besonderer Weise passte. Du hast Dein Leben in der Tat gemeistert und zwar bis zum Schluss und wir waren uns beide darüber im Klaren, dass das Leben nicht allein durch handwerkliches Können zu meistern ist, sondern dass der Humor und vor allem auch die Fähigkeit, über sich selbst lachen zu können, gleichermaßen wichtig sind. Wer über das Leben und über sich selbst nicht auch lachen kann, der wird das Leben nicht meistern.

Ob dieser Satz für alle Meschen gilt, weiß ich nicht, aber wir beide waren uns in dieser Einschätzung einig.

Und wahrscheinlich stimmen uns, in unserer Einschätzung, auch Deine Freunde von den Nordendlern zu, die hier und heute zu Deiner Ehrung gekommen sind.

Es gab eine weitere Zutat zu Deinem Meistern des Lebens, das war das Wandern, das ist eine Tätigkeit, die nicht nur des Müllers Lust beschreibt, sondern in unserem Falle auch die Lust des Schuhmachers und ebenso die des Bildhauers!
Das Wandern öffnet das Herz, und der Blick in die Landschaft von einem Berg herab, erfüllt uns mit Dankbarkeit und mit der Achtung vor dem Leben, wenn wir Glück haben, vielleicht sogar Ehrfurcht.

Wolfgang Du warst nicht nur ein liebevoller Ehemann, Vater und Großvater, nicht nur Meister Deiner Innung, sondern auch lange Innungs-Obermeister, Du warst Karnevalist, Politiker und ehrenamtlicher Richter.

Du warst nicht nur ein Schuh-Macher, Du warst ein universeller MACHER und Du warst obendrein Demokrat mit Leib und Seele. Wir kommen zwar nicht beide aus derselben Partei und hatten oft unterschiedliche Standpunkte, aber wir waren, so lange wir uns kannten, immer »koalitionsfähig« und haben uns auch oft gemeinsam darüber empört, wenn unsere beiden Parteien, Deine CDU und meine SPD es nicht waren!

Das meine ich nicht als Seitenhieb auf unsere Stadtpolitiker, denn wir haben in der Stadt, in der die Paulskirche steht, traditionell eine hoch entwickelte Streit-KULTUR, und unsere beiden Stadtoberhäupter, Fr. Dr. h.c. Petra Roth und Oberbürgermeister Mike Josef repräsentieren, diese Kultur der Auseinandersetzung. Ich meine die Bundespolitiker unserer beiden Parteien, die jetzt, auch in der »Nach-Ampel-Zeit« permanent in Streit geraten und wenig Kultur in der Auseinandersetzung zum Vorschein bringen.

Wolfgang ich könnte hier und heute so viel erzählen über Dich, Deine vielen Ehrungen, Urkunden und deine Bürgermedaille, über Deine Römer Plakette, ich könnte mehr erzählen über Deine Herkunft und das liebevolle Verhältnis zu Deiner Frau beschreiben, die leider so früh verstorben ist und meiner Bewunderung Ausdruck verleihen, wie Du ihren Tod bewältigt hast, was höchste Anerkennung verdient.

Aber ich möchte mich nicht weiter in zu persönlichen Details verlieren, wir werden aber Deine vielen Auszeichnungen und Deinen Lebenslauf dem Stadtarchiv übergeben, damit sie der Nachwelt erhalten bleiben und für Nachforschungen zur Verfügung stehen.

Zwei typische Haltungen möchte ich aber noch erwähnen:

Als ich Dich am 18. Juli, einen Tag, nachdem ich von Deiner Erkrankung erfahren hatte, im Krankenhaus besuchte, haben wir stundenlang miteinander gesprochen und wir haben, wie immer, wenn wir uns trafen, nicht nur über ernste Dinge geredet, wir haben sehr viel nach – und neu gedacht.

Zum Beispiel war das Buch »Glück im Unglück« von Konstantin Schreiber eines unserer Themen und die Gedanken über den Tod, die Karl Lagerfeld in einem seiner letzten Interviews von sich gegeben hat, haben wir ebenfalls besprochen.
In dem Zusammenhang erklärtest Du, dass Du jetzt, in Deiner Krankheit nicht mehr viel Besuch haben möchtest, jedenfalls nicht von Menschen, die wahrscheinlich nur ihre Erinnerungen auskramen und darüber phantasieren würden, dass früher alles so viel besser gewesen sei. Wir waren uns einig, dass Kultur nie heißen kann, dass etwas bleibt, wie es ist, sondern dass Kultur sich durch stetigen Wandel ausdrückt und dass Kultur, hier sind wir wieder auch beim Tod, dass Kultur Bewegung, ein stetiges Kommen und Gehen ist.

An dieser Stelle des Gesprächs wurde Dein Humor sehr trocken.

»Ich habe in meinem Leben immer nur nach vorne geschaut, der sentimentale Blick rückwärts ist nicht mein Ding. Auch jetzt schaue ich vor allem nach vorne: Und jetzt habe ich es nicht mehr weit,
das war‘s dann,
PUNKT!
Ich habe mein Leben gelebt und ich habe es gerne gelebt und habe alles erreicht, was ich wollte.«

Du hattest eine erste Chemotherapie hinter Dir und Du hast sie schwer verkraftet. Du warst entschlossen, keine weitere Chemotherapie zu machen, egal was die Konsequenz daraus sein würde.

Hier waren wir wieder am Punkt: Was es heißt, das Leben zu meistern.

Das Leben zu meistern heißt am Ende auch loslassen zu können. Das hat mir unser Gespräch erneut vor Augen geführt: Wenn der Weg, wie Du sagtest, nicht mehr weit ist, ist es meisterhaft, loszulassen, sich nicht ans Leben zu klammern und bestimmt werde ich daran zurückdenken, wenn es dann bei mir so weit ist.

Wolfgang, das ist wieder eine unserer Gemeinsamkeiten. Auch mein Leben ist, wie das Deine war, aufregend, wild und bunt. Und wir beide haben in unserem Leben nie eine Arbeit gemacht, die wir nicht von ganzen Herzen geliebt haben und das ist vielleicht das Geheimnis für unsere Erfüllung und ich habe im Abschied von Dir erneut gelernt, dass es sinnvoll ist, zu erkennen, wann man loslassen und gehen sollte.

Danke.

Mein Freund Ghirmay Habton, mit dem wir das erste große Kaiserstraßenfest gemeinsam organisiert haben und der ebenso ein Macher ist, wie Du einer warst, sagte am Freitag auf dem Museumsuferfest, als wir über Dich sprachen:

»Der Lenz, ist wie ich:
Seine Arbeit, das war seine Seele.«

Wolfgang, klar war der Tod das zentrale Thema in den letzten Stunden, die wir miteinander verbracht haben, und trotzdem haben wir in diesen letzten Stunden viel gelacht aber einer unserer Gedanken, die wir gemeinsam gesponnen haben war:

»Wenn wir tot sind, sollen sie wegbleiben mit ihren Tränen von unseren Gräbern – wenn sie kommen, und uns wirklich wertschätzen wollen, dann sollen sie am Grab innehalten und in Dankbarkeit daran zurückdenken, welche schönen und erfüllenden Erlebnisse wir miteinander hatten.«

Das kann – und muss auch nicht, – nicht immer gleich gelingen, auch ich habe, trotz unserer Überlegung so manche Träne vergossen nach dem Du gegangen warst, aber das Wichtige in der Erinnerung – erinnern in wahrsten Sinn des Wortes – ist, dass man das Glück wieder nach INNEN holt, dass man das Glück, dass man gemeinsam wunderbare Dinge erlebt hat, zurückholt, es wieder verINNERlicht, damit man es wieder spürt und erhält, welches Glück es war, dass wir ein Stück Lebensweg gemeinsam gehen durften.

Wolfgang ich hatte in der Werkstatt Bahnhofviertel den Auftrag angenommen für Deine Beerdigung einen Kranz zu bestellen. Ich hatte auch schon klar vor Augen, wie der aussehen sollte, es sollte ein Lorbeerkranz sein, einer aus Gewürzlorbeer und ich habe in den Friedhofsgärtnereien einen solchen Kranz gesucht. Ich habe immer dieselbe Antwort bekommen: Lorbeerkränze, die gab‘s früher mal, das macht man heute nicht mehr und man kann das heute nicht mehr bestellen, weil der Großhandel keinen Gewürzlorbeer mehr hat. Ich wollte aber unbedingt einen Kranz aus Lorbeer verleihen, als Sinnbild für die Lorbeeren, die Du Dir durch Dein Sein und Handeln im Bahnhofsviertel erworben hast.

 Die Kränze, die man mir stattdessen verkaufen wollte, waren nichts für Dich.

Dir waren Blumen nie wichtig und Deine Handfestigkeit im Sinn habend, sahen diese Kränze für mich aus wie Zuckergebäck, sie waren zu niedlich, sie waren zu schön, sie waren nicht handfest genug.

Ich habe mich deshalb zu etwas anderem entschlossen, ich bin in Gedanken an Dich in die Kleinmarkthalle gegangen und habe einen kleinen Lorbeerbaum gekauft und diesen werde ich, wenn wir Deine Urne ins Grab versenkt haben, auf Dein Grab pflanzen damit Du in der Tat die Lorbeeren bekommst, die Dir für Dein Wirken im Bahnhofsviertel und in der Werkstatt Bahnhofsviertel zustehen.

Wir werden jetzt zum Grab gehen und Dich dort einbetten, wo wir in Zukunft an die gemeinsame Zeit denken und das Glück erhalten wollen, dass wir die Freude hatten, mit Dir gemeinsam ein Stück des Lebenswegs wandern zu dürfen.

Wolfgang, wir danken Dir für alles.

Foto: Dr. Andreas Döring